Mehr als nur Mittelmaß
Fakten in Kürze: Wissenschaftlicher Name: Dendrocoptes medius Länge: 20-22 cm Flügelspannweite: 33-34 cm Brutzeit: April bis Juli; 1 Brut im Jahr Nest: zimmert seine Höhle ausschließlich in Bäume mit weichem Holz Eier: 4-6; reinweiß und glänzend Alter: bis zu 13 Jahren
Wissenswertes:

Wie sein Name schon vermuten lässt, ist der Mittelspecht der „Mittlere“ von drei sich sehr ähnlich sehenden Spechten: Bunt-, Mittel- und Kleinspecht. Er ist etwas kleiner als der Buntspecht, ungefähr so groß wie ein Star. Trotz seines auffälligen roten, rundlich wirkenden Kopfes ist er wegen seiner geringen Lautäußerungen nicht leicht zu entdecken. Wer jedoch genau hinhört, kann das Balzquäken von März bis Mitte Mai vernehmen. Der Höhlenbau beginnt im April und muss bis spätestens Mitte Mai abgeschlossen sein, sonst wird das Eierlegen zur Herausforderung. Anschließend startet für die Altvögel der Futterbeschaffungsbetrieb. Nach ca. 20 Tagen im Nest fängt für die Jungspechte, das aufregende Leben außerhalb der Baumhöhle an.

Der Mittelspecht fühlt sich in alten lichtdurchfluteten Laub- und Auwälder mit einem hohen Eichenanteil zu hause. Durch die starke Bindung an Areale mit grobborkigen Bäumen gilt er als Habitatspezialist (Lebensraumspezialist). Seine Reviergröße wird maßgeblich von der Qualität des Lebensraums beeinflusst, denn der Rotschopf benötigt in seinem Reich pro Hektar um die 26 Eichen mit einem Durchmesser von mind. 35 cm. Früher war er auch in Hochstammobstgärten zuhause, die es leider nicht mehr in diesem Umfang gibt. Heute dagegen besiedelt er hauptsächlich ehemalige Mittelwälder mit zahlreichen Alteichen. Das Besondere an dieser historischen Waldbauform sind seine zwei Baumschichten, dem Nieder- und Hochwald. Durch die unterschiedlichen Etagen konnten die Bäume ausladende Eichenkronen entwickeln, was wiederum den Insektenreichtum förderte. Davon profitieren auch heute noch die Überreste dieser Wälder und in Folge dessen auch der Mittelspecht. Unser Spezialist ist nämlich auf Insekten, Larven und Spinnen als Nahrungsquelle angewiesen.

Sein Schnabel ist für einen Specht relativ zierlich und offensichtlich nicht dazu geeignet, wild drauflos zu hämmern. Er ähnelt eher einer Pinzette, mit der Insekten aufgespießt und aus der rauen Borke herausgezogen werden können. Daher wird der Mittelspecht auch als Such- oder Stocherspecht bezeichnet. Außerdem ist seine Zunge wesentlich länger als die der Hackspechte, wie z.B. Bunt- und Schwarzspecht. Mit ihr leckt er vor allem im Frühjahr den Baumsaft vom Stamm. Im Winter ist er auf Gliederfüßler angewiesen, die in Rindenritzen überwintern – mit ein Grund, warum er von Bäumen mit grobstrukturierter Borke abhängig ist. Im Sommer dagegen findet er seine Beutetiere auf Blättern in den Baumkronen, von denen er sie einfach aufsammelt. In dieser luftigen Höhe bleibt der mittlere Specht von uns Menschen oft unbemerkt.
Seit den 1970er Jahren schrumpft die Zahl der Mittelspechte, was eindeutig auf den Verlust geeigneter Lebensräume zurückzuführen ist: Alteichen wurden zunehmend aus den Wäldern entnommen, die Eiche durch die Buche ersetzt und Streuobstwiesen sowie alte Obstbestände beseitigt.
Da in Deutschland ein großer Anteil der Weltpopulation des nur in Europa vorkommenden Mittelspechts lebt, tragen wir für diese Art eine hohe Verantwortung.
Durch gezielte Naturschutzmaßnahmen konnte der Rückgang gestoppt und eine allmähliche Zunahme des Bestands erreicht werden. Dafür werden geeignete Biotopbäume für Bruthöhlen und alte grobborkige Bäume, in welchen er Nahrung findet, vermehrt erhalten. Außerdem findet in der Forstwirtschaft mittlerweile ein Umdenken statt – weg von reinen Nadelforsten hin zu ursprünglicheren Wäldern.